Kurz hinter der östlichen Stadtgrenze Berlins befindet sich die Gemeinde Woltersdorf. In wenigen Minuten ist man im Wald mit dem Kranichsberg. Darauf steht ein hölzener Aussichtsturm, der einen weiten Blick über Berlin und den Landkreis Oder-Spree bietet. Dass die Bevölkerung ihn heute so nutzen kann ist nicht selbstverständlich. Er hat eine lange Odyssee mit zahlreichen Problemen hinter sich.
Der 1885 gebaute Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Turm war am 20. April 1945 von Angehörigen des Nazi-“Volkssturms” angezündet und vernichtet worden – offenbar, damit er nicht der Sowjetischen Armee in die Hände fällt.
1961 beschloss die Gemeinde einen neuen Brandwach- und Aussichtsturm zu errichten. Auch dieser Turm sollte wieder aus Holz bestehen. Mehrere Betriebe aus der Gegend spendeten Zement, Bewehrungsstahl, Holz und andere Materialien, bis aus Finsterwalde kamen die Spenden. Doch bevor der Bau errichtet werden konnte, beschlagnahmte die Sowjetarmee das Holz, das sie selber gut gebrauchen konnte. Eine Delegation aus dem Ort fuhr daraufhin zur russsischen Kommandantur und protestierte dagegen. Und tatsächlich hatten sie Erfolg und bekamen einen Teil des Holzes für den Turmbau zu Woltersdorf zurück.
Ein Jahr später wurde der 25 Meter hohe Turm fertiggestellt und eröffnet. Doch 1976 wurde er wieder für die Öffentlichkeit gesperrt: Die DDR-Staatssicherheit beanspruchte ihn für sich und richtete dort eine Funk- und Sendeanlage ein. In den Fuß wurde zudem ein Bunker eingebaut. Erst im Jahr 1990 konnte der Turm wieder für alle Bürger geöffnet werden. Seitdem kümmert sich ein Verein um die Instandhaltung und den Betrieb. Im inneren Teil des Bauwerks betreibt er heute ein kleines Museum zur Geschichte des Ortes.
Über alle Stockwerke erstreckt sich ein Einblick in eine Welt, die man hier in Woltersdorf nicht erwartet hätte: Von Anfang des 20. Jahrhundert an wurden 100 Jahre lang hier und im nahen Rüdersdorf etliche Kinofilme gedreht. Die große Zeit war in den 1910er bis 1930er Jahren. Die Wälder rum um Woltersdorf, der Kalksee und die Steinbrüche von Rüdersdorf boten eine einmalige Kulisse. Die Regisseure Ernst Lubitsch, Harry Piel und vor allem Joe May ließen das Gelände bebauen. 1918 wurde für May eine eigene Filmstadt errichtet, er drehte dort die damals beliebten Abenteuer- und Historienfilme mit exotischem Flair. Damit leitete er die deutsche Monumentalfilmzeit ein, “Veritas vincit” (1918), das achtteilige Kolossalwerk “Die Herrin der Welt” sowie den Zweiteiler “Das indische Grabmal” 1921. Für letzteren stammte das Drehbuch von Fritz Lang. “Der Tiger von Eschnapur” wurde eines der berühmtesten Werke, die in und um Woltersdorf entstanden.